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Übersicht über das RAI-NH-System und seine Elemente

Im Zentrum des RAI-NH-Systems steht ein pflegerisch-geriatrisches Assessment, das MDS (Minimum Data Set). Dieses hilft den in der Pflege und Betreuung Tätigen, eine differenzierte Einschätzung vorhandener Ressourcen und bestehender Beeinträchtigungen der Bewohnerinnen vorzunehmen und, darauf aufbauend, die erforderliche Pflege und Betreuung bedarfsgerecht zu planen.

 

Seine Anwendung ermöglicht eine systematische Qualitätsförderung im Kernprozess Pflege, welche den Anforderungen des KVG (Gesetz über die Krankenversicherung) genügt. Das Modul „Tarife/Finanzierung" erlaubt die Bildung von Pflegeaufwandgruppen (RUGs = Ressource Utilization Groups ) für die Tarifierung.

 

Die Hauptfunktionen des RAI-Systems

Das MDS möchte die in der Pflege und Betreuung Tätigen durch ein systematisches Vorgehen in der Beachtung der pflege- und alltagsrelevanten Faktoren unterstützen. Die Verwendung des übersichtlich strukturierten MDS schärft die Beobachtungs- und die Beurteilungsfähigkeit und stellt sicher, dass alles Notwendige beachtet wurde.

 

Das Assessment wird erstmals beim Heimeintritt mit dem MDS-Formular „Erstbeurteilung“ erhoben. Weitere Assessments erfolgen jeweils im Abstand von sechs Monaten: Das MDS-Formular „Gesamtbeurteilung“ wird in zwölf Monaten einmal ausgefüllt, dazwischen kommt ein reduziertes Formular „Halbjährliche Zwischenbeurteilung“ zur Anwendung. Verändert sich der Zustand der Bewohnerin signifikant, ist ein neues vollständiges Assessment durchzuführen (sog. Signifikante Statusveränderung).

 

Für jede einzelne Bewohnerin werden mit Hilfe der EDV die im MDS enthaltenen Auslösepunkte (Triggerpunkte) zu 20 Problembereichen in einer Abklärungszusammenfassung zurückgemeldet. Zusammen mit den Resultaten des MDS (aktuelles Kompetenzprofil = vorhandene Ressourcen und vorhandene Abhängigkeiten) bildet die Abklärungszusammenfassung die Grundlage für die Umsetzung im Pflegeprozess.

 

Zu jedem der folgenden 20 Problembereiche steht eine Abklärungshilfe im Handbuch zur Verfügung (ab S. 171).

 

  • Akute Verwirrtheit / Delir
  • Kognitive Beeinträchtigung
  • Sehfähigkeit
  • Kommunikative Fähigkeiten / Hören
  • Rehabilitationspotential / ADL
  • Blaseninkontinenz
  • Psychosoziales Wohlbefinden
  • Stimmungslage
  • Auffälliges Verhalten
  • Aktivität / Beschäftigung
  • Stürze
  • Ernährungszustand
  • Ernährungssonde
  • Dehydratation
  • Mund- / Zahnpflege
  • Dekubitus
  • Psychopharmaka
  • Freiheitsbeschränkende Massnahmen
  • Schmerzen
  • Darmregulation


Die Pflegeaufwandgruppen (RUGs) sind konzeptuell mit den DRG (Diagnosis Related Groups) im Akutbereich zu vergleichen. Im MDS wird der Zustand der Bewohnerinnen sowie erbrachte Leistungen dokumentiert. Aufgrund dieser retrospektiven Daten werden die Bewohnerinnen automatisch durch die RAI-Software einer Pflegeaufwandgruppe zugeteilt. Dabei werden vor allem die Kriterien berücksichtigt, die sich im Rahmen der Pflegeaufwandgruppenentwicklung als besonders aufwandrelevant erwiesen haben und für die eine hohe Reliabilität in der Kodierung belegt ist.

 

Jeder Pflegeaufwandgruppe ist ein Pflegeindex hinterlegt, welcher dem mittleren zeitlichen Pflegeaufwand der jeweiligen Pflegeaufwandgruppe entspricht. Dieser Wert wurde in umfassenden internationalen und nationalen Zeitstudien ermittelt (Fries et al. 1994; Bartelt et al. 2004). Damit wird, quasi als Nebeneffekt, auch der ökonomische Anteil abgebildet und es erübrigen sich weitere Erhebungen. Die Verknüpfung zwischen dem Assessment und dem Finanzierungsteil ist einer der genialen Schritte des RAI.

 

Das Kapitel „Die Pflegeaufwandgruppen des RAI“ (S. 24) präzisiert die konkrete Umsetzung in der Schweiz.

 

Mit Hilfe der MDS-Daten werden verschiedene Qualitätsindikatoren gebildet, z.B. Prävalenz von Stürzen, Prävalenz von Bewohnerinnen mit neun oder mehr Medikamenten, Prävalenz von Druckulzera etc. Diese Indikatoren erlauben datengestützte Vergleiche im Verlauf der Zeit und Quervergleiche zwischen Heimen (Benchmarking), und sie führen im Rahmen eines kontinuierlichen Qualitätsförderungsprozesses zu spür- und sichtbaren Verbesserungen für die pflegebedürftigen Heimbewohnerinnen.

 

Da den einzelnen Pflegeaufwandgruppen Zeitwerte hinterlegt sind, welche in Rahmen von Zeitstudien ermittelt und validiert wurden, können diese Grundlagen auch für das Ressourcenmanagement, insbesondere für Stellenplanberechnungen verwendet werden. Aufgrund von systematischen Erhebungen in verschiedenen Kantonen können aus den Pflegeindizes in Relation zu den effektiven Stellenplänen der Heime zuverlässige Richtwerte für die Personaldotation abgeleitet werden. Als wichtiger Basiswert für die Stellenberechnung dient die Grösse „RUG-Punkte pro Stelle Pflege- und Betreuung". Die RUG-Punkte geben die Pflegeintensität wieder und können deshalb als Mass für die erbrachte Leistung verwendet werden.

 

Wo immer möglich wird die weibliche Form für Personen benutzt; alle Aussagen gelten jedoch immer für beide Geschlechter.